Durch meine Arbeit als Entwicklungsleiter führe ich natürlich auch eine größere Anzahl von Bewerbungsgesprächen durch. Dabei sieht man immer wieder bestimmte Muster, die einen Entwickler in eine Sackgasse führen. Ich kann natürlich nur über Probleme sprechen, die mir negativ auffallen. Aber ich vermute, dass diese Punkte auch bei anderen Firmen problematisch sind.
1. Falle – Unaufrichtige Bewerbungsunterlagen
Um es klar zu stellen – ich erwarte nicht, dass sich ein Bewerber in den Unterlagen selber schlecht macht. Und es ist legitim, sich in einem möglichst guten Licht darzustellen. Mit „unaufrichtig“ meine ich auch nicht gefälschte Zeugnisse. Das ist kriminell und muss nicht diskutiert werden.
Mit unaufrichtig meine ich stark übertriebene Fähigkeiten. Wenn ein Bewerber sehr gute SQL Kenntnisse angibt, dann erwarte ich zumindest ein solides Wissen über die Basics dieses Fachgebiets. In diesem Fall sollte man nicht mit der Frage „Was ist ein JOIN“ überfordert sein.
Eine Fehleinschätzung kann man durchaus akzeptieren. Wenn sich hier aber ein Muster abzeichnet und es in mehreren Gebieten massive Abweichungen in der Bewertung der Fähigkeiten ergibt, stellt sich mir die Frage, ob es der Bewerber allgemein nicht so genau mit der Wahrheit nimmt. Dann ist er für unsere Firma nicht geeignet.
Man muss nicht unbedingt bösen Willen unterstellen. Es kann ja sein, dass der Bewerber einfach nur ein wenig realistisches und überaus positives Selbstbild hat. Aber auch dann kommt er für eine Anstellung nicht in Frage. Ich hätte dann einen mittelmäßigen Angestellten, der ständig mit seinem Einkommen und seinen Karrieremöglichkeiten unzufrieden sein wird.
2. Falle – absterbende Nischen-Technologien
Es gibt auch heute noch eine große Anzahl von COBOL Arbeitsplätzen und als COBOL Entwickler wird man noch einige Zeit gutes Geld verdienen können. Ob es Spaß macht, ist eine andere Frage. Ich behaupte einfach mal, dass COBOL zwar ein absterbender Ast ist, aufgrund seiner weiten Verbreitung aber immer noch keine Nische ist.
Schwieriger wird es bei exotischeren Technologien, wie z.B. Mumps, Progress, Dataflex…
Wenn man in einem Betrieb nur mit so einer Umgebung arbeitet und dann den Job wechseln muss oder will, hat man ein kleines Problem. Daraus wird ein großes Problem, wenn man sich nicht zumindest privat mit anderen, moderneren Systemen auseinandergesetzt hat.
Natürlich kann man argumentieren, dass sich ein guter Entwickler in jede Programmiersprache (schnell) einarbeiten kann. Die Schwierigkeit liegt darin, dass ich im Bewerbungsgespräch kaum herausfinden kann, ob es sich um einen guten Entwickler handelt. Ein Jobangebot wäre mit einem hohen Risiko verbunden. Zudem finde ich persönlich einen Entwickler, der sich nur für die eine Programmiersprache im Job interessiert und nicht auch mal nach links und rechts schaut – nun ja, zumindest verdächtig.
3. Falle – Miniunternehmen oder one man shows
Ein Job als einziger Entwickler in einem Kleinstunternehmen direkt nach dem Studium kann durchaus reizvoll sein. Mangels Vergleichsmöglichkeiten ist man in der Firma der Held, der auf magische Art und Weise alle Probleme löst. Zumindest was das Thema Programmierung angeht, wird einem niemand in die Arbeit reinreden oder Vorschriften machen. Und man muss sich nicht für Fehler rechtfertigen, solange sie nicht allzu auffällig sind.
Das große Risiko dabei – man entwickelt sich nicht, oder zu langsam, weiter. Es gibt keine direkten Vorbilder, von denen man erfolgreiche Techniken erlernen könnte. Es gibt keinen Wettbewerb, keinen sozialen Druck, besseren Code zu schreiben.
Ich will damit nicht behaupten, dass man in so einer Position zwangsweise auf einem level mit begrenzten Fähigkeiten stehen bleibt. Aber das Risiko ist groß und ich habe es bei einigen Bewerbern so gesehen.
Fazit
Zu den Fallen 2 und 3 gibt es zum Glück einen Ausweg – man kann sich selber aktiv Weiterbilden. Im Internet nach best practices Ausschau halten, Tutorials lesen, in einem Open Source Projekt mitarbeiten. Wichtig ist die Interaktion mit anderen Menschen, anderen Denkweisen, anderen Vorgehensweisen. Das geht nur zum Teil während der regulären Arbeitszeit, zum Teil muss man es auch in der Freizeit machen. Das ist aber gut investierte Zeit in die Zukunft. Ein Entwickler ist nicht das Hollywood Klischee – er sitzt nicht 6 Monate im Keller um schließlich das revolutionäre Programm abzuliefern. Er muss mit anderen Menschen zusammenarbeiten und sich dabei selber auch weiterentwickeln.
Wenn man der Meinung ist, Computer sind nur während der Arbeitszeit ein Thema und in der Freizeit tabu, dann ist man in der IT Branche falsch. Schuhverkäufer wäre vielleicht eine Alternative. Aber möglicherweise muss man sich auch dort in der Freizeit über aktuelle Modetrends weiterbilden.
Zur Falle 1 gibt es einen einfacheren Ausweg: beim nächsten Mal eine realistischere Selbsteinschätzung und etwas mehr Ehrlichkeit.